
Wie einige Leser wissen, war ich während meines diesjährigen Sommerurlaubs mal wieder in Schottland. Und dabei habe ich natürlich die Chance genutzt, die eine oder andere Destille zu besuchen. Da ich doch schon einige Destillen von innen gesehen habe, beschränke ich mich meist auf kurze Besuche mit ein paar Fotos von außen oder einem kurzen Stopp im Visitorcenter. Nur bei ausgewählten neuen Destillerien oder besonderen Führungen bzw. Tastings buche ich auch schon mal eine Führung.

Die Destille um die es in diesen Beitrag gehen soll, ist einerseits ein wahres Schmuckstück und bietet eine sehr individuelle Führung an. Auf sie gestoßen, bin ich durch die Empfehlung eines guten Freundes. Er hatte die Führung im letzten Jahr mitgemacht und hat mir wärmstens ans Herz gelegt, wenn ich in der Nähe bin, unbedingt die neue Ballindalloch Distillery zu besuchen.

Ballindalloch wird den meisten sehr wahrscheinlich nichts sagen, außer einige Schlossliebhaber kennen den Namen, auf Grund des Schlosses mit identischen Namen. Und es besteht sogar ein direkter Zusammenhang zwischen beiden. Sowohl das Schloss, als auch die Destille gehören der Macpherson-Grant Familie. Zur ungefähren Orientierung: die Destille liegt im Whiskymekka der Speyside, wo fast 2/3 alle schottischen Destillen anzutreffen sind. Man findet Sie ungefähr zwischen den Destillen Glenlivet und Glenfarclas, am Nordöstlichen Rand des Cairgorm Nationalparks.

Wir fuhren an einem verregneten Dienstagmorgen im August zu unserem Besuch zu Ballindalloch. Wir hatten natürlich vorab Kontakt aufgenommen, da es hier kein Visitorcenter gibt und Führungen nur mit vorherigen Anmeldung durchgeführt werden. Von weitem ist schon das tolle, weiße Gebäude mit dem sehr prägnantem Schriftzug zu sehen. Obwohl die Destille erst 2 Jahre alt ist, wirkt das Gebäude und die Anlage viel älter. Was damit zusammenhängt, dass sie in einem 200 Jahre alten und gut restaurierten Farmhaus untergebracht ist. Wir wurden von Brian dem Visitormanager formvollendet empfangen. Neben uns war nur noch ein weiteres Pärchen aus Aberdeen für die Führung angemeldet. Das ist doch schon mal schön, mit nur vier Personen an einer Führung teilzunehmen.

Da es recht kühl war und sich Schottland von seiner besten, verregneten Seite zeigte, begannen wir in einem gemütlichen Raum mit einem wunderbaren, zweiten Frühstück. Neben Tee und Kaffee wurden auch noch Plätzchen gereicht. Während wir uns am Tee aufwärmten, erzählte uns Brian ein bisschen was zur Geschichte. Ursprünglich war dies eine recht heruntergekommene Farm. Sie diente als Werbeplattform für den dahinterliegenden Golfplatz. Anfang der 2010er Jahre spielte auf diesem Golfplatz auch ein Whisky-Destillen Konstrukteur. Er meinte mehr zum Spaß, daß man in das alte Farmhaus doch eine Destille bauen könnte. Was eigentlich eher als Scherz gemeint war, nahm Lord Macpherson zum Anlass ein Konzept dazu zu entwickeln. Der Konstrukteur erhielt den Auftrag eine Destille und einen entsprechenden Kostenrahmen zu entwickeln. Und so entstand die Idee und die spätere Umsetzung für die Ballindalloch Single Estate Distillery. Durch Unterstützung der EU und die diversen anderen Projekte des Lords konnte man den Bau in ca. 2-3 Jahren umsetzen.

Durch die Verbindung der Familie zur Gegend achtete man bei der Renovierung darauf, möglichst nur auf lokale Handwerker zurückzugreifen. Außerdem versuchte man auch möglichst vieles original zu rekonstruieren. Und was sie geschaffen haben, kann sich wirklich sehen lassen.

Dann ging es auf unseren Rundgang. Beim ganzen Gebäude und auch den Anlagen konnte man das Konzept und die Zielsetzung hinter dieser Destillerie erkennen. Man verfolgt ganz klar das Konzept einer Premiumstrategie. Alles ist sehr hochwertig angelegt und qualitativ umgesetzt. Angefangen bei den Brennkesseln bis hin zu den eingesetzten Materialien. Man will sich klar als Qualitätsdestillerie positionieren. Das spiegelt sich auch in der Absicht wieder, erst mit einem gereiften Single Malt an den Markt zu gehen. So wird auch kein New Spirit verkauft und der erste Malt wohl nicht vor 2025 (dann ca. 10 Jahre alter Whisky) abgefüllt werden. So hat man bewusst auf ein Visitorcenter verzichtet und will nur kleinen Gruppen von wirklich Interessierten die Destille näher bringen. Und ich muss sagen, ich habe selten eine so detaillierte Führung miterlebt. Wir konnten uns alles anschauen und Brian erläuterte uns alle Punkte der Produktion. Wobei er vorher fragte, was für Vorkenntnisse wir mitbringen und was uns besonders interessierte. Auf unseren Rundgang durften wir sogar selbst bei der Whisky/Spiritproduktion Hand anlegen.
So durften wir die Hefe einfüllen. Einer von uns musste die Hefe aus einem Eimer behutsam in den Kessel schütten. Währenddessen musste jemand anderes mit einer Art Stampfer dafür sorgen, dass die Hefe nicht zerklummte. Hat echt Spaß gemacht.
Brian als erfahrener Guide flocht aber auch immer wieder nette Anekdoten und Geschichten beim Rundgang mit ein. So erzählte er uns auch, dass man Prinz Charles und Camilla für die Eröffnung gewinnen konnte. Dies hängt mit den guten Beziehungen der Eigentümerfamilie zur königlichen Familie zusammen. So ist der jetzige Lord auch Page bei der Trauung von Charles und Diana gewesen. Bilder von der Eröffnung und auch eine extra Plakette findet man daher an verschiedenen Orten in der Destille.

Von der Kapazität her, ist Ballindalloch eher eine kleine Distillery. Sie besitzen 5 Washbacks aus Pinienholz mit ca. 10.000 Litern max. Fassungsvermögen. Daneben eine Wash Still mit 5.000 Litern und eine Spirit Still mit 3.600 Litern. So dass sie insgesamt ca. 100.000 Liter pro Jahr produzieren. Die 5-6 hier arbeitenden Personen arbeiten nur an 5 Tagen die Woche. Diese Zahlen erklären auch Brians Abneigung gegenüber dem Begriff Microdestille. Da dieser Begriff häufig eher für einfach ausprobieren bzw. Hobby steht.
Dagegen sehen sich ganz klar als Craftdestille, da doch vieles hier Handarbeit ist ein großes handwerkliches KnowHow vorhanden ist. Außerdem versuchen sie bei ihren Zutaten größtenteils auf lokale Materialien zurück zugreifen. So gehört ja zu den Ballindalloch Unternehmen auch Landwirtschaft dazu und im Umfeld der Destille wir genügend Gerste angebaut.

Nach einer sehr abwechslungsreichen und einer eineinhalbstündigen Tour durch die Produktion kamen wir zum Höhepunkt unserer Besichtigung. Wir kamen in den Tastingroom und kamen uns gleich vor wie in einem Schloss. Hier hat man natürlich auch viele Einrichtungsgegenstände aus dem Schloss verwendet. Da Ballindalloch ja erst seit 2 Jahren produziert und man bewusst auf das Verkosten von New Spirit verzichten musste, haben sie sich etwas anderes überlegt. Brian erzählte uns, das er vorher als oberster Gästeführer bei Glenfiddich tätig war. Dann hatte ihn der Lord angesprochen, ob er die Stelle hier nicht übernehmen möchte. Er sagte ja, verlangte aber ansprechende Spirituosen die man Gästen entsprechend der hochwertigen Ausrichtung der Destille anbieten konnte. Aber der Lord konnte mit einem Hinweis auf die Familiengeschichte aushelfen. Dieses Problem konnte Lord Macpherson-Grant mit einem Hinweis auf die Familiengeschichte lösen.

Die Familie war nämlich in der Vergangenheit schon mehrmals im Whiskybusiness tätig. Einerseits wurde in den frühen 1820 Jahren von einem Vorfahren die heute nicht mehr existierende Delnashaugh Distillery gebaut. Außerdem gründete sie die Cragganmore Distillery. Diese gehörte der Familie bis in die 50er Jahre. Erst die Steuerschulden eines Vorfahrs des heutigen Lords machte einen Verkauf der Destille notwendig. Trotzdem bekam man das Recht bei Gelegenheit das ein oder andere Fass aus der Cragganmore Destille zu beziehen. Und diese edlen Tropfen darf man im Rahmen der Führung probieren. Damit ist die Führung in der Ballindalloch Destille quasi die einzige Möglichkeit noch alte Singlecaskabfüllungen der Cragganmore Distillery zu probieren. Lustige Funfact ist, dass der hier verwendete Abercrombie Spirit Safe ursprünglich in der Cragganmore Distillery den Newspirit trennte.

Wir machten es uns in bequemen Ledersofas um einen Kamin gemütlich und starteten mit einem 27 jährigen Cragganmore aus einem Bourbon Cask mit 53,1 % Alkohol. Was ein leckerer Whisky, wunderbar eingebunden und ein wunderbarer Schnüffelwhisky.
Um das Ganze noch zu steigern kam als nächstes ein noch ein Jahr älterer Cragganmore ins Glas. Dieser hatte zwar nur 42,6 % Alkohol – aber das war vollkommen ausreichend. Könnte man doch solche Flaschen noch käuflich erwerben. Diese Whiskys waren einfach nur wunderbar ausgewogen, mit einem guten Holzeinfluss ohne das er überlagernd gewirkt hätte und extrem lecker.

Und um uns endgültig die Nase lang zu machen, gab es zum Abschluss noch einen 29 jährigen Cragganmore ausschließlich im Sherryfass (Oloroso) gelagert. Dies wäre mein Whisky für einen längeren Aufenthalt auf einer einsamen Insel. Bisher kannte ich nur den 14-jährigen Standard, den Destillers Edition und einen von Signatory. Nach diesen Köstlichkeiten hat man auf einmal einen komplett anderen Blick auf die Cragganmore Distillery.

Was ein würdiger Abschluss eines erlebnisreichen Vormittags. Eine absolute Empfehlung für alle die in der Speyside-Region sind. Wichtig ist, vorab sich anzumelden. Die Touren finden nur in Kleingruppen statt und kosten angemessene 35 Pfund pro Person. Dafür bekommt man eine sehr individuelle, sehr ausführliche und unterhaltsame Führung. Zusätzlich wirklich absolut gigantische Whiskys, die man in einem tollen Ambiente genießen kann. Daneben gibt es noch speziellere Touren bzw. Ganztagesworkshops in Whiskyherstellung. Nähere Informationen zur Destille, den Touren und den Kontaktdaten von Brian findet Ihr unter https://www.ballindallochdistillery.com/
Hier noch ein paar Impressionen der Destille:
Freut mich dass es euch dort gefallen hat! Brian ist wirklich ein klasse Host. Muss auch unbedingt mal wieder hin (zum Fassstreicheln 😉 ).
LikeLike
Darfst mal raten wer der gute Freund gewesen ist. Wirklich eine super Empfehlung.
LikeLike